Die letzte größere türkische Stadt vor der georgischen Grenze ist Hopa. Ein Umschlagplatz für alles Mögliche. Eine dieser Städte, die es überall in den Grenzgebieten zu geben scheint. Ein ständiges Kommen und Gehen. Viele LKW, viele Menschen, wildes Getümmel und lautes Hupen.
Von dort sind es noch 20 Kilometer. Dann liegt die Grenzstation direkt an der Küste. Eingeschlossen wie eine Klamm von Meer und Bergen. Wie ein Nadelöhr, durch das sich unzählige Trucker und alle anderen zurechtfinden müssen.
Die türkischen Grenzer sind an diesem Tag froh gelaunt. Es wird viel gelacht. Man attestiert uns, dass wir ein schönes Paar sind. Von uns würde so viel Energie ausgehen. Stimmt ja auch!
Die georgischen Grenzer sind ebenfalls sehr freundlich aber auch sehr ordentlich. Letztendlich dauert der Vorgang nicht so lange, wie wir es befürchtet hatten. Seit 1. März darf man auch wieder ohne PCR-Test einreisen, wenn man geimpft ist.
Kurz nach dem Grenzort Sarpi begrüßt uns schon das Ortseingangsschild von Batumi. Die zweitgrößte Stadt des Landes hat gute 170.000 Einwohner, ist Hafenstadt und glänzt mit einigen spektakulären Neubauten. Schon von Weitem ist die Skyline der Hauptstadt der Autonomen Republik Adscharien beeindruckend.
Wie nach jeder Einreise in ein neues Land, unserem achten auf dieser Tour, besorgen wir uns ein bisschen Landeswährung (Lari) in bar, eine SIM-Karte und schauen uns etwas um.
Schnell wird uns klar, dass wir diese Stadt mögen. Und das will was heißen. Vielleicht sind wir auch etwas auf Entzug, denn die türkischen Städte haben uns nie überzeugen können. Neben Odessa, das wir im Sommer noch bereisen durften, ist Batumi erst die zweite Stadt auf dieser Tour, die uns so richtig gut gefällt.
Ich denke auch an Tallinn und in den nächsten Tagen werden wir noch oft feststellen, wie sehr uns Georgien an Estland erinnert.
Ich denke aber eben auch an Odessa und sehe mit Erstaunen, wie sehr sich die Georgier mit den Menschen in der Ukraine solidarisieren. An unzähligen privaten und öffentlichen Gebäuden hängen die blau-gelben Farben oder die ukrainische Flagge. In Modeläden hängen nicht ganz zufällig blaue und gelbe Kleidungsstücke nebeneinander im Schaufenster. An Autoscheiben und auf Werbeleinwänden sind die Farben zu sehen. Selbst ganz aktuelle Graffiti zeugen schon von der Anteilnahme der Georgier.
Batumi besitzt eine schmucke Altstadt, deren Jugendstilfassaden zum Teil originalgetreue Rekonstruktionen sind. Die Straßen sind oft gesäumt von alten, majestätischen Bäumen. An einigen Hauswänden prangen interessante Street-Art-Kunstwerke. Auch die bunte Ausstellung im Kunstmuseum schauen wir uns an einem Regentag an.
Neben historischen Gebäuden ziehen Baukräne hochmoderne Paläste aus Glas, Stahl und Beton in schwindelerregende Höhen. Batumi ist auch ein Nebeneinander von Altem und Neuem. Über einem Internetcafe ist Wäsche quer über die Straße gespannt. Einige nette Straßenhunde komplettieren das Stadtbild. Zwischen Geschäften, die alles bieten, was das Herz begehrt, findet man immer wieder Weinkeller, Cafes und Restaurants.
Im "Heart of Batumi" schlagen wir uns mit Pelmeni, Borsch und Kachapuri die Bäuche voll.
Die ersten Nächte verbringen wir nördlich von Batumi an einem ruhigen Strand in der Nähe des Botanischen Gartens. Eine Nacht gönnen wir uns sogar den Luxus, bezahlen 20 Lari pro Person und übernachten direkt im Botanischen Garten. Dort gibt es ausgewiesene Campingareale und auf diesen darf man mit Zelt oder Wohnmobil von 18 bis 10 Uhr stehen. Der Botanische Garten selbst ist riesengroß und zieht sich parallel zur Küste entlang. Vor über 100 Jahren wurde er angelegt und beheimatet heute Bäume und andere Pflanzen von verschiedenen Kontinenten, zum Beispiel aus Mexiko, Japan oder Nordamerika. Besonders beeindruckend fanden wir die riesigen Bambuswälder.
Uns war nicht klar, bis wir in Georgien eintrafen, dass dieses Land ein Klima aufweist, das dem subtropischen Klima nahe kommt. Deshalb können hier Bambus und Zitrusgewächse gedeihen. Und deshalb regnet es hier auch öfter als anderswo.
Was den Pflanzen gut tut, ist in diesem Fall des Campers Fluch. Besonders im Winter.
Also buchen wir uns für eine Woche ein kleines Holzhaus, etwa 40 Kilometer von der Küste entfernt in der Nähe der Kleinstadt Osurgeti.
Bevor wir allerdings unsere Regenzuflucht beziehen, verbringen wir noch eine Nacht an der Black Sea Arena und eine Nacht an einer heißen Sulfur-Quelle.
Die Black Sea Arena ist eine Konzerthalle. Ein relativ neuer Bau mit einem überdimensioniert großem Parkplatz. Hier finden Konzerte statt. Das Letzte war im August 2021.
Viel spannender für uns ist der direkt daneben gelegene Musiker-Park. Auf einem mehrere Hektar großen Gelände stehen zwischen hohen Bäumen mehrere Dutzend Bronzefiguren berühmter Musiker. Darunter Beethoven, Bach und die Beatles. Natürlich auch georgische Komponisten und Sänger. Der Clou dabei ist, dass über kleine Lautsprecher die zu den Persönlichkeiten passenden Musikstücke abgespielt werden, sobald man sich ihnen nähert. Alles per Bewegungsmelder. Dazu kommen einige spannende Holzskulpturen und eine Open-Air-Hundertwasser-Ausstellung. Ein Park genau nach unserem Geschmack.
An der Sulfur-Quelle wären wir womöglich vorbeigefahren, wenn wir nicht im Vorfeld im Internet davon gelesen hätten. Die Zufahrt ist auf dem letzten Kilometer etwas holprig. Aber dann wird man mit einem ruhigen Platz am Fluss belohnt. Direkt neben dem Fluss sprudelt die heiße Quelle in drei kleine Badebecken. Das Wasser hat geschätzte 39 Grad und riecht auch nur wenig nach Schwefel. Wir verbringen am Abend zwei Stunden darin und am darauffolgenden Morgen nochmals eine Stunde. Zufälligerweise treffen wir an der Quelle im Nirgendwo eine deutsche Camper-Familie, die wir bereits in der Türkei am Strand bei Yaniklar getroffen hatten und eine zweite Camper-Family, die zeitgleich mit uns in Antalya waren. Dazu noch ein Paar mit einem Offroad-Camper, denen wir im Ihlara-Tal begegnet waren. Die Welt ist rund und klein!
Gut durchgewärmt geht es für uns dann weiter durch den Regen zu unserem Haus für die nächsten Tage. Und tatsächlich hat sich diese Investition gelohnt, denn es regnet und schneit sogar nahezu ununterbrochen weiter in den kommenden Tagen. Das üner hundert Jahre alte Holzhaus stand einst an einem anderen Ort und wurde von den Besitzern an diesem Platz auf ein neues Fundament gestellt. Hinter dem Haus wachsen Haselnusssträucher und Mandarinenbäume. Als der Strom ausfällt, handwerkt der "Hausverwalter" und Nachbar mit dem Schraubenzieher am Sicherungskasten herum bis das Licht wieder brennt. Der Sicherungskasten hängt offen am Strommast vor dem Haus und natürlich hat es dort hineingeregnet. Aber der unerschrockene Nachbar bekommt es wieder hin.
Bereits an unserem zweiten Tag im Haus klopfen Jan und Augustina an unsere Tür. Die beiden haben unser deutsches Kennzeichen erkannt und sich getraut nach einem trockenen, warmen Plätzchen zum Aufwärmen zu fragen. Jan ist Dachdecker aus Lüneburg und als Wandergeselle bereits seit zweieinhalb Jahren unterwegs. Augustina, seine argentinisch/italienische Freundin begleitet ihn. Spontan laden wir die beiden ein und so verbringen wir einen langen Abend mit dem Austausch von Reisegeschichten. Am nächsten Tag fahren wir die beiden noch zur nächsten Hauptstraße. Ihre Reise führt sie nun weiter nach Tiflis und von dort nach Usbekistan. Während wir demnächst nach Armenien aufbrechen wollen.
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